Ein Architekt schreibt Mauerwerk aus großformatigen KS-Plansteinen aus - wohlgemerkt mit „Allgemeiner bauaufsichtlicher Zulassung“ vom DIBt. Nach der Fertigstellung bilden sich Risse im Putz, und der Kollege wird vom Kammergericht Berlin zu Schadenersatz verurteilt, weil er hätte wissen müssen, dass die Gefahr von Rissbildung bei großformatigem Mauerwerk größer ist als bei klein- bis mittelformatigem; der Hinweis auf die ABZ und die Tatsache, dass die Steine schon bei Tausenden von Bauvorhaben verwendet wurden, hilft nicht. Man mag sich darüber wundern, auch ärgern, welcher Maßstab an unsere Arbeit gelegt wird, und welches Haftungsrisiko uns aus solchen Urteilen erwächst; doch der Fall wirft Fragen auf, die freilich nicht das Gericht beantworten muss: Warum gibt es Zulassungen für Baumaterialien, wenn deren Schwächen so offenkundig bekannt sind - kein Mensch braucht Steine, die reißen und zu Baumängeln führen? Warum preisen Hersteller Produkte an, von denen sie selbstverständlich wissen, welche Risiken damit verbunden sind? Warum kaufen Handwerker sorglos das Material ein, und warum schreiben Architekten es unbedacht aus?
Gewinnmaximierung durch wirtschaftliche Produktion, schnelle Verarbeitung und auch verkürzte Bauleitung ist letztlich das Ziel allen Handelns; dass am Ende lediglich der Architekt die Federn lässt, interessiert dabei nur am Rande. Das kleine Einmaleins der Baukonstruktion, z.B. das Wissen, dass nur kleinstrukturiertes Mauerwerk die inneren Schwundspannungen gut verteilt, gewinnt ebenso an Bedeutung wie die Erkenntnis, dass Ausbildung solches Wissen vermitteln muss. Nur wer angesichts solcher Fragestellungen und Entscheidungszwänge fest im Sattel sitzt, weiß unsinnige Hochglanzwerbung zu beurteilen und wenn nötig ... in die Tonne zu stampfen.
Vizepräsident Ernst Wolfgang Eichler, Alzey