23. Dezember 2021
Wohin mit den Eintagsfliegen?
Die kurze Produktlebensdauer im Messebau steht der Forderung nach Langlebigkeit und Ressourcenschonung diametral entgegen. Dass Messestände dennoch nachhaltig konzipiert werden können, daran hatten die Gäste der sechsten Folge der Podcastserie „Kreislaufwirtschaft“ keine Zweifel. Die Herausforderung bestehe vielmehr darin, auch den Kunden von den höheren Investitionen in mehr Nachhaltigkeit zu überzeugen. Wege aus diesem Dilemma diskutierte Moderatorin Annette Müller diesmal mit Stephan Haida, Alexander Strub und Eva Holdenried. Stephan Haida ist Geschäftsführer von „artlife messe event specials“ in Hofheim und Fachvorstand in der Bundesvereinigung Veranstaltungswirtschaft. Er ist hier maßgeblich an der Erarbeitung eines Nachhaltigkeitssiegels beteiligt. Alexander Strub ist Architekt und Creative Director bei Drees & Sommer in München. In dieser Funktion beschäftigt er sich mit nachhaltigen Messeauftritten. Seine kreativen Arbeiten wurden bereits mehrfach ausgezeichnet. Eva Holdenried ist Innenarchitektin mit einem Büro im rheinhessischen Wörrstadt und Vorstandsmitglied der Architektenkammer Rheinland-Pfalz.
„Jedes nachhaltige Messebaukonzept steht und fällt mit der Bereitschaft des Kunden an seinem Wertekosmos zu arbeiten“, sagte Alexander Strub: „Die Expo Real ist eine Immobilienmesse. Da wird lustig gebaut und viele Stände sehen aus wie kleine Pavillions, wie echte Häuser.“ Den Kunden, in diesem Fall das eigene Büro Drees & Sommer, dazu zu bringen, aus diesem Schema auszuscheren, das sei der erste Schritt gewesen. Danach habe sich der Rest wie von selbst ergeben. Strub: „Wir haben dann versucht nach dem Cradle to Cradle Prinzip zu designen.“ Ziel dabei ist es, alle verwendeten Materialien in den Kreislauf zurückzuführen. Dies sei zwar nicht ganz geglückt, aber man habe das Maximale erreicht, indem man mit Baugerüsten gearbeitet habe. Das Erscheinungsbild sei natürlich ein ganz anderes gewesen, dennoch sei es gelungen, die Kernaussagen mit guter Architektur zu transportieren.
Dass auch nachhaltige Konzepte genügend Aufmerksamkeit generieren können, dafür gibt es eine ganze Reihe an Beispielen. Eva Holdenried rief etwa den Schweizer Pavillion auf der Expo 2000 in Hannover von Peter Zumthor in Erinnerung. Alle eingesetzten Materialien wurden später weiterverwendet, gleichzeitig habe der Holzbau international Aufsehen erregt.
Nachhaltige Konzepte im Messebau sind also nicht neu. Auch Stephan Haida berichtete von einem Aussteller auf der Expo Real, für den seine Firma ein Dauerkonzept entwickelt hat. Das Grundkonzept sei immer gleich und seit acht Jahren im Einsatz. Eine gewisse Modularität sorge aber dafür, dass es auf verschiedenen Grundrissen einsetzbar sei. Für einen anderen Kunden habe man einen Stand komplett aus Holz konzipiert. Die Holzplatten wurden später für die Produktion von Zweite-Wahl-Möbeln wiederverwendet. Die Konzepte seien seit vielen Jahren vorhanden, nur die Nachfrage sei eben nach wie vor gering.
In den Augen von Alexander Strub können solche Ansätze deshalb nur im Schulterschluss mit Messeveranstaltern, Gestaltern und Messebesuchern umgesetzt werden. Alle müssten umdenken. Werte müssten neu definiert werden, aber das sei ein langwieriger Prozess. Und er erinnerte an das Statement von Maria Porro, Direktorin der Mailänder Möbelmesse, die sagte: „Messe ist nicht nachhaltig.“ Um dies zu ändern, müsse notfalls der Gesetzgeber die erforderlichen Voraussetzungen schaffen. Eva Holdenried kann sich alternativ vorstellen, dass die Messeveranstalter nachhaltige Konzepte mit einem Preisnachlass würdigen...
Die Gäste
Nach dem Abitur absolvierte er eine Lehre als Bankkaufmann bei der Bank für Gemeinwirtschaft in Frankfurt. Daran schloss er ein Studium der Betriebswirtschaftslehre ebenfalls in Frankfurt an. Es folgten fast 30 Jahre Selbständigkeit in der Veranstaltungs- und Messebranche. Stephan Haida ist seit dem Jahr 2014 Fachvorstand in der Bundesvereinigung Veranstaltungswirtschaft (vormals FAMAB) und seit 2017 Stellvertretender Vorsitzender des Verbandes. Er hat innerhalb des Bundesverbandes die AG Nachhaltigkeit mitbegründet und ist seither maßgeblich an der Erarbeitung des Nachhaltigkeitssiegels "sustainable company by FAMAB" beteiligt.
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Alexander Strub hat nach dem Studium der Architektur an der FH München gelehrt. Bis zum Jahr 2004 hat er außerdem als freier Architekt gearbeitet. Danach stieg Alexander Strub bei der Agentur EXPOLAB als Head of Design ein. Von 2009 bis 2012 verantwortete er dort als Partner und geschäftsführender Gesellschafter die Bereiche Kommunikation im Raum, Design und Architektur. 2013 wechselte Alexander Strub zur RBSGROUP um dort als Creative Director die Themen Brandexperience, Kommunikation im Raum und New Work miteinander zu verknüpfen. Seit Anfang 2021 ist die RBSGROUP in die Drees & Sommer SE übergegangen. Alexander Strub hat für seine kreativen Arbeiten zahlreiche renommierte Preise erhalten.
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Sie ist über den Event- und Messebereich hinaus in den Bereichen Wein und Wohnen tätig. Eva Holdenried interessiert sich besonders für den Bereich der Digitalisierung und für Fragen der Nachhaltigkeit am Bau.
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